Heute Abend werden die vier Preise des DOK.forum verliehen, der Branchenplattform des DOK.fest München. Das sind die Gewinner.innen:
DOK.digital – The Future of Storytelling
Vinzenz Aubry, Sebastian Strobel, Ralph Tharayil und Fabian Burghardt (Sansho Studio): SOCIAL SCORE
Erstmals wird der Preis „DOK.digital – The Future of Storytelling“ verliehen. Dieser zeichnet innovative Formate aus, die zeigen, wie Fakten und Geschichten in Zukunft erzählt werden können – digital, interaktiv und crossmedial. Der mit 2.500 Euro dotierte Preis richtet sich an Journalist.innen, Dokumentarfilmemacher.innen und andere Erzähler.innen und wird von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) gestiftet. Die ersten Gewinner sind Vinzenz Aubry, Sebastian Strobel, Ralph Tharayil und Fabian Burghardt von Sansho Studio mit dem Audioprojekt SOCIAL SCORE.
Das interaktive, standortbasierte Hörerlebnis handelt von der potentiellen Einführung eines Social Scoring Systems in Deutschland, also eines Online-Bewertungs-Systems, mit dem wünschenswertes Verhalten belohnt und totale Kontrolle geschaffen werden kann. Die Hörer.innen von SOCIAL SCORE erleben bei einem freien Spaziergang mit der fiktiven Künstlichen Intelligenz „AVA“ die Vor- und Nachteile eines solchen Systems und werden angeregt, ihr eigenes Verhalten kritisch zu reflektieren. Das Hörspiel entsteht live und individuell, indem GPS-Positionsdaten analysiert und mit einer Datenbank von Orts- und Objektdaten abgeglichen werden.
Aus der Jurybegründung: „Das Projekt wagt nicht nur einen komplett neuen Ansatz durch die Kombination von KI-Technologie und Hörerlebnis, es schärft auch unsere Wahrnehmung und inspiriert unser individuelles Kopfkino, indem es die eigene Realität in den Kontext der möglichen Zukunfts-Dystopie einer Überwachungsgesellschaft stellt. Mit ihrem Projekt SOCIAL SCORE schaffen es Vinzenz Aubry, Sebastian Strobel, Ralph Tharayil und Fabian Burghardt, ein relevantes Thema als innovatives und interaktives Hörerlebnis zu verpacken, das uns unsere eigene vertraute Umgebung als dynamischen Erzählraum neu wahrnehmen lässt. Ohne großen Aufwand kann mit Mobiltelefon und Browser direkt vor der eigenen Haustür gestartet und die eigentlich vertraute Umgebung neu entdeckt werden.“
Dieses und vier weitere vorausgewählte Projekte wurden am 8. Mai in einer Online-Live-Veranstaltung vorgestellt. Anschließend wählte die Jury SOCIAL SCORE einstimmig zum Sieger. Die Jury bildeten Joël Jent (Produzent Dschoint Ventschr / Aaron Film), Matthias Leitner (Digital Storyteller, Strategiedesigner) und Jutta Schirmacher (Referentin bei der BLM).
Siegfried Schneider, Präsident der BLM: „Qualitativ hochwertige und gut recherchierte Inhalte müssen heute so erzählt und verpackt werden, dass sie ihr Publikum finden. Nur dann werden Fakten auch in Zukunft über Fakes triumphieren. Wie groß der Bedarf der Gesellschaft an verlässlichen Informationen ist, zeigt sich in diesen schwierigen Zeiten ganz besonders. IN SOCIAL SCORE wird ein journalistischer Inhalt neu, interaktiv und jenseits des linearen Erzählens spannend aufbereitet – herzlichen Glückwunsch!“
Florina Vilgertshofer, die Co-Leiterin des DOK.forum: „Natürlich ist der narrative Dokumentarfilm unser Kerngeschäft, aber ich halte es für außerordentlich wichtig, auch anderen Arten dokumentarischen Erzählens im Rahmen des DOK.forum eine Plattform zu geben. SOCIAL SCORE und die anderen vorgestellten Projekte haben gezeigt, wie vielfältig die neuen, digitalen Möglichkeiten des Erzählens sind, und vor allem: wie aufregend und anregend.“
Pitch Award des Hauses des Dokumentarfilms
Jasmine Alakari: AFTER THE GODS
Alle Bilder: ©DOK.fest München
Der Pitchwettbewerb bietet den Studierenden unserer Partnerhochschulen die Gelegenheit, ihre aktuellen Projekte im Austausch mit Redakteur.innen, Produzent.innen und Verleiher.innen weiterzuentwickeln und neue Finanzierungspartner zu gewinnen. Der Preis für den überzeugendsten Pitch ist mit 2.500 Euro Rechercheförderung dotiert. Er wird gestiftet vom Haus des Dokumentarfilms. Diesjährige Gewinnerin ist Jasmine Alakari mit ihrem Projekt AFTER THE GODS. Darin ist Exarcheia, das anarchistische Viertel von Athen, zugleich Kulisse und Protagonist.
Aus der Jurybegründung: "Ein melancholischer, wohl mitunter verzweifelter Abgesang auf falsche Glücksversprechen und die tiefe Sehnsucht junger Leute, die ihre eigene Ausweglosigkeit und Ohnmacht nicht hinnehmen wollen. AFTER THE GODS verspricht wildes Engagement und einen zärtlichen Blick auf das Chaos. Ein Essay zwischen gesellschaftlichen und ästhetischen Fronten, voller Poesie und dabei politisch hellwach! Angetrieben von all den Widersprüchen vor und hinter der Kamera erzählt Jasmin Alakari eine universelle Geschichte mit einer leicht schmerzenden Prise Humor."
Die Jury bildeten Anne-Kathrin Brinkmann (ZDF/ARTE), Petra Felber (BR), Timo Großpietsch (NDR), Jutta Krug (WDR), Sonia Otto (INDI Film), Marcus Vetter (SWR), Peter Schernhuber (Diagonale/AT), Siegfried Steinlechner (ORF/AT), Ralph Wieser (Mischief Films/AT), Aline Schmid (Beauvoir Films/CH), Esther van Messel (First Hand Films/CH) und Sven Wälti (SRG SSR/CH).
Deutscher Kompositions-Förderpreis
Anna-Marlene Bicking, Sarah Noa Bozenhardt, Sonja Kilbertus: AWALATJE – DIE HEBAMMEN
Um die künstlerische Zusammenarbeit von Filmemacher.innen und Komponist.innen zu stärken, wird das beste musikalische Konzept für einen Dokumentarfilm mit 2.500 Euro ausgestattet. Gestiftet wird der Preis von SONOTON Music, dem weltweit größten unabhängigen Anbieter professioneller Produktionsmusik. Dieses Jahr werden Komponistin Anna-Marlene Bicking, Regisseurin Sarah Noa Bozenhardt und Produzentin Sonja Kilbertus für ihr Projekt AWALATJE – DIE HEBAMMEN ausgezeichnet.
Aus der Jurybegründung: "Zwischen Regisseurin Sarah Noa Bozenhardt und Komponistin Anna-Marlene Bicking nehmen wir eine intensive und gewachsene Zusammenarbeit wahr, die ästhetische und produktionstechnische Abläufe eng ineinander führt. Das junge Team nähert sich mit dem Filmprojekt AWALATJE – DIE HEBAMMEN drei Frauen in Äthiopien, die sich im Spannungsfeld zwischen traditioneller und moderner Geburtshilfe bewegen. In diesem Mikrokosmos wird die Musik zum tragenden Strukturelement durch die raffinierte Überführung von gegenwärtigen elektronischen Sounds, Naturgeräuschen und auf traditionellen Instrumenten – wie etwa der Kalimba – erzeugten Klängen. Regiekonzept, Erzähldramaturgie und Komposition sind unmittelbar verzahnt, akribische Klangrecherche seitens der Komponistin trifft auf zielführende Kraft und Enthusiasmus, die nicht zuletzt motiviert sind durch ein autobiographisches Moment der Regisseurin, die ab ihrem 12. Lebensjahr in Äthiopien aufgewachsen ist."
Die Jury bildeten Jana Irmert (Komponistin, Sounddesignerin), Dr. Meret Forster (BR-KLASSIK-Redaktionsleiterin und künstlerische Leiterin ARD-Musikwettbewerb), Brigitte Hofer (Produzentin, Geschäftsführerin maximage), Alexander Kukelka (Komponist) und Prof. Dr. Klaus Schaefer (Rechtsanwalt, ehemaliger Geschäftsführer des FFF Bayern).
British Pathé Archive Award
Bernadett Tuza-Ritter, Gabor Harmi, Zsofi Lili Kovacs: QUEEN OF CHESS
Der Förderpreis würdigt Projekte mit einem großen Anteil an Archivmaterial und stärkt damit ein traditionsreiches dokumentarisches Genre. Das Gewinnerprojekt erhält British Pathé Archivmaterial im Wert von 14.000 Euro oder alternativ 2.500 Euro in bar. Ausgezeichnet wird QUEEN OF CHESS, ein Projekt von Regisseurin Bernadett Tuza-Ritter, Autor Gabor Harmi und Produzentin Zsofi Lili Kovacs.
Es erzählt die größtenteils vergessene Geschichte der Ungarin Judith Polgar, die als junges Mädchen in der Männerdomäne der Schachwettbewerbe berühmt wurde. Historische Aufnahmen, die in das spätkommunistische Ungarn führen, werden mit Home Movies aus dem Privatarchiv der Familie Polgar sowie Fernsehberichten über die Wettbewerbe mit den Schachweltmeistern ihrer Zeit, insbesondere Garri Kasparov, verknüpft. So entsteht ein intimes Porträt einer ungewöhnlichen jungen Frau und gleichzeitig eine Zeitreise in eine historische Umbruchphase.
Aus der Jurybegründung: "Die Jury hat vor allem der kluge und virtuose Umgang mit dem vielseitigen Archivmaterial überzeugt. Die historischen und größtenteils unbekannten Filmaufnahmen stellen hier eine tragende Erzählebene dar. Vielversprechend erscheint der Jury außerdem, wie die unterschiedlichen Facetten dieser Wunderkind-Geschichte aufgefächert werden: das Erziehungsexperiment des Vaters, das Geschlechterverhältnis, die eigenwillige Welt des Schachs, die Spannung von Wettkämpfen, die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen – all dies spiegelt sich in dieser aufregenden Frauen-Biographie."
Die Jury bildeten Anke Hahn (Leitung Filmverleih, Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen), Patrick Hörl (Geschäftsführung, Autentic GmbH), Monika Preischl (Archive Researcher und Archive Producer) und Simon Witter (Footage Archive / Licensing, British Pathé Ltd.).